ANWENDUNGSBEISPIELE Derzeit dienen im Gewächshaus angebaute Gurken und Tomaten als Beispielkulturen für die Analyse komplexer Wirkungszusammenhänge. Hierbei konnte gezeigt werden, wie sich die Pflanzenarchitektur aufgrund variierender Bedingungen hinsichtlich der Lichtquantität und -qualität ändert (z. B. Kahlen & Stützel, 2011). Berücksichtigt man darüber hinaus unterschiedliche Temperaturverläufe und deren zusätzlichen Einfluss auf Organwachstum und Erscheinungsraten, so kann durch Architektur-Variationen in den virtuellen Pflanzen die besondere Bedeutung der Pflanzenarchitektur für die Trockenmassenproduktion verdeutlicht werden (Abb. 2). Sollen zudem Wassermangelsituationen Berücksichtigung finden, so werden die Wirkungszusammenhänge aufgrund der Interaktionen der Umweltfaktoren noch komplexer (Abb. 3). Hierzu wurden in Geisenheim im Rahmen von Bachelor- und Masterarbeiten umfassende Gewächshausexperimen- te durchgeführt. Dabei zeigte sich, dass die Performance der Pflanzen nur dann vorhergesagt werden kann, wenn prozessorientierte Modelle verwendet werden, welche die Pflanzenarchitektur berücksichtigen (z. B. Olberz, 2012; Klostermann, 2013). In wieweit diese Modelle auch dazu dienen, um ein verbes- sertes Grundlagenverständnis des Zusammenspiels von Physiologie und Architektur der Pflanzen entwickeln zu können, zeigen die umfassenden Studien im Promotions- projekt von Herrn Dr. Chen an der Universität Hannover (gemeinsames DFG-Projekt von K. Kahlen und Prof. H. Stützel). Hier wurden die Auswirkungen von Salzstress und die Limitierungen der Photosynthese in Gewächshausbe- ständen anhand Virtueller Pflanzen untersucht (z.B. Chen et al., 2014b). Auch für die vielfältigen Forschungsschwerpunkte an der Hochschule Geisenheim bieten sich zahlreiche An- knüpfungspunkte. Dies ist insbesondere der Fall, wenn in Forschungsfragen die Pflanzenarchitektur von Bedeutung ist, wie beispielsweise bei der Interaktion von Insekt und Pflanze, der Applikation von Pflanzenschutzmitteln oder der Klimafolgenforschung. So ist davon auszugehen, dass zukünftige Klimaveränderungen die Bedeutung der Um- weltfaktoren in pflanzenbaulichen Systemen und damit auch die der Pflanzenarchitektur verstärken werden (Kahlen et al., 2015). Im Rahmen des Verbundprojektes FACE2FACE sollen Virtuelle Pflanzen daher künftig eine systematische Analyse des Einflusses prognostizierter Klimabedingungen auf die Bestandsproduktivität unter- stützen und die Entwicklung angepasster und optimierter Management-Strategien für die Praxis ermöglichen. Virtuelle Pflanzen können somit in vielen Anwendungsbe- reichen als spannendes und innovatives Werkzeug genutzt werden, um unser Wissen über die Ressourcennutzen der Pflanzen stetig zu verbessern. ZENTRUM FÜR WEIN- UND GARTENBAU Abb. 1: Übersicht über die Komponenten eines Virtuellen Pflanzenmodells (Quelle: Kahlen).